Brachse

 

Im Grunde genommen ist die Brachse für den Angler ein Alltagsfisch, von manchen verächtlich „Schleimer“ genannt, weil dieser Fisch nur wenig grätenfreies Fleisch dafür aber umso mehr Schleim zum Schutz seiner Haut und zum besseren Durchgleiten des Wassers produziert. Bevor ich zum Angeln an den Main kam, kannte ich kein Gewässer in unserer Nähe, in dem Brachsen vorkamen. So kam es , dass auch dieser schmale Hochrückige lange Zeit auf der Wunschliste meiner Fänge stand. Zum ersten Mal und dazu gleich „satt“ geangelt habe ich auf Brachsen während eines Kurzurlaubs nach Pfingsten an der Mainschleife bei Volkach, zu dem mein Angelpartrner mich inspiriert hatte. Innerhalb von drei Tagen fing ich dort an einem malerisch gelegenen Altarm des Mains, schräg gegenüber der die Weinberge überragenden Kapelle „Maria im Weingarten“, insgesamt 68 Brachsen, von denen die schwerste 42 cm lang war und 600g wog.

Schmackhaft ist dieser Fisch besonders im geräucherten Zustand, wenn nur das ständige Ausspucken der Gräten nicht wäre! Von diesem Umstand konnten wir uns während unseres kurzen Aufenthaltes dort mehrfach überzeugen.

Ein Wiedersehen mit dem auch „Blei“ genannten Fisch gab es dann in meiner Bucht am Waginger See. Hier stippte ich mit Maden oder Mais am 11 er Haken und 18 er Vorfach auf Rotaugen oder - die Pose flacher eingestellt - auf Rotfedern. Nach tüchtigem Anfüttern hatte ich bald auch regen Zuspruch beider Arten, bis mir auf einmal aufsteigende Blasen und auftreibende Pflanzenteile anzeigten, dass da noch andere Interessenten die Futterstelle aufgespürt hatten. Schnell die Angel mit einem frischen Madenbündel beködert, den Schwimmer für Grundnähe eingestellt, die Stelle mit den auftreibenden Blasen überworfen und den Köder mitten da platziert, wo die Geschuppten sich tummeln und am Grundfutter gütlich tun mussten. Es dauerte auch nur ein paar Augenblicke, bis meine leuchtend orangerote Posenspitze ein Stück emporgehoben, dann leicht schräg gelegt und schließlich entschlossen in die Tiefe gezogen wurde. Sofort kam der Anhieb, und schwer hing ein Fisch an der dünnen Schnur. Zwei, drei kurze Fluchten nach rechts und nach links,und schon ließ er sich kaum, noch Widerstand bietend, heran holen und über den Kescher führen. Es handelte sich um ein stattliches Exemplar, das nicht wie die vorher gefangenen kleineren ein silbrig-graues Schuppenkleid aufwies, sondern wie von einem Hauch Bronze überzogen zu sein schien. Die schiefergrauen Flossen hoben sich davon in einem farblich schönen Kontrast ab.
                        

Noch dreimal innerhalb der nächsten Minuten konnte mein Kescher an diesem Morgen solche Beute aufnehmen. Dann hatte ich wohl den Schwarm durch irgendeine Unachtsamkeit vergrämt, denn die Bisse blieben aus. Mit vier guten Fischen von zusammen knapp 8 Pfund Gewicht war ich natürlich mehr als zufrieden. Ebenso erging es meinen Wirtsleuten, welche, sich vor den Gräten nicht scheuend, eine schmackhafte Abendmahlzeit für die ganze Familie daraus zubereiteten.

Angespornt durch den Erfolg an fremden Gewässern suchte ich diesen auch, nach Hause zurückgekehrt, an der uns vertrauten Strecke des Mains. Dabei beachtete ich, dass reichliches Anfüttern und wärmende Morgensonne auf dem Wasser gute Voraussetzungen für den Brachsenfang bildeten - so, wie ich es schon in Bayern beobachtet hatte. Der angestrebte Erfolg blieb  so vorbereitet auch nicht aus. Brachsen gehören heute auch zu meinem Angelalltag, der aber für mich selbst durch die so gefärbten Schuppenträger nie ein grauer wird, vor allem dann nicht, wenn der kleine Haken am dünnen Vorfach ein Exemplar von über 50 cm und ca. 3 Pfund Gewicht gefasst hat, und die bange Frage mich in Aufregung bringt, ob denn das alles halten wird, bis der Kescher seinen Dienst getan hat. Mit ein wenig mehr Temperament und mit etwas stärkerer Kraftentfaltung wäre es sicherlich schon manch einem dieser breiten Burschen ein Leichtes gewesen, sich von Haken und Schnur zu befreien. Aber so hat Mutter Natur sie nun einmal nicht ausgestattet, und deshalb hängen sie eben meistens brav und ein wenig „bleiern“ am Haken.

Als Belohnung dafür durften die größten von ihnen  in unseren heimischen Teich umziehen, um ihn, der diese Fischart bisher ja noch nicht beherbergte, um eine neue Spezies zu bereichern. Nach dem, was ich bisher an Brut und Kleinfischen dieser Art dort entdecken konnte, sind sie dieser Aufgabe mit Fleiß nachgekommen.


Doebel                                                 Angelgeschichten