Barbe

 


Von der Barbe hatten wir gelesen,, dass sie in der nach ihr benannten Flussregion „in Bodennähe in stärkeren Strömungen“ stehe und mit „Wurm, Darm, kleinen Fischen, Sprock, Schnecken und Muschelfleisch“ zu fangen sei. Selbst gefangen hatten wir noch keine. Alle Versuche, mit starker Bebleiung möglichst in der Strommitte eine Barbe zu überlisten, waren fehlgeschlagen. Wir hatten alle Hoffnung schon langsam aufgegeben, zumal wir von einem angeblichen „großen Barbensterben im Main“ gehört hatten. So beschränkten wir uns weiter in der Hauptsache auf unsere Stippfischerei.

Als vor drei Jahren Ende Mai wieder einmal die Zeit gekommen war, da mit lebendem Köder ,Maden und Mistwürmern, wegen der unzähligen Lauben kein beköderter Haken mehr die Standplätze der Plötzen, Güstern, Brachsen und Döbel unbehelligt erreichen konnte, nahmen wir wieder Zuflucht zum gekochten Weizen als Köder. Dabei erwies es sich als besonders fängig, das einzelne Weizenkorn ganz nahe am Ufer und so tief wie möglich abtreiben zu lassen. Die gequollenen Körner, am 11 er Haken serviert, wurden auch eifrig von Rotaugen, Haseln, Güstern und ab und zu einer Brachse genommen. Immer dann, wenn eine solche biss, gab es den bekannten schweren, bleiernen Widerstand, der, sobald der Fisch mit dem Maul an der Oberfläche erschien, auch schon so gut wie gebrochen war.

So schien es auch zu werden, als de leichte Schwimmer meines Freundes wieder einmal dicht am Ufer in den Fluten versank und seine Rute sich nach dem Anschlagen deutlich durchbog. Der wilde Tanz, den die Schnur aber dann ins Wasser hinein vollführte, hatte jedoch gar nichts mehr mit dem behäbigen Verhalten einer Brachse gemein. Dem lebhaften Hin- und Herschießen des gehakten Fisches nach tippten wir zunächst auf einen starken Döbel. Oder sollte sich sogar eine der äußerst seltenen  Forellen an das winzige Weizenkorn verirrt haben?! - Wie erstaunt aber waren wir beide, als nach einigen weiteren Augenblicken spannenden Drills ein unterständiges, fleischiges, mit großen Barteln bewachsenes Maul, aus dem Hakenschenkel und Schnur herausragten, an der Wasseroberfläche auftauchte. Wahrhaftig: eine Barbe! - und dazu von der ordentlichen Länge von 42 cm. Nach gebührendem Bewundern ihrer fast drehrunden, schlanken und dabei so muskulösen Gestalt und voller Staunen darüber, dass solch ein Strömungsfisch sich - zumal mit Weizen - direkt in Ufernähe fangen ließ - allen literarischen Behauptungen zum Trotz - gaben wir sie ihrem Element zurück. Wir hatten weder Lust, diesen schönen Fisch zum Bestandteil einer Mahlzeit zu machen, noch wollten wir ihn als einen typischen Bewohner des fließenden Wassers in unseren Teich einsetzen. Natürlich waren wir uns aufgrund der Art und Weise, wie diese Barbe gefangen worden war, darüber im Klaren, dass ihr Fang ein echter Zufallstreffer war, dennoch wussten wir nun mit Sicherheit, dass im Verlauf unserer Angelstrecke Fische des Typus „barbus“ standen. Mit neuem Eifer nahmen wir deshalb unserer Bemühungen um diese Fischart wieder auf.

Ein gutes Vierteljahr war seit jenem unverhofften Fangerfolg vergangen. Wir befanden uns wieder einmal an unserem alten Platz. Gewohnheitsmäßig waren die Wurmangeln weit draußen auf Grund ausgeworfen, während wir uns ansonsten wieder dem geliebten Rotaugenstippen widmeten. Auf eine Bestückung meiner abgelegten Grundrute mit einem Aalglöckchen hatte ich verzichtet, weil sich der Winkel, den Rutenspitze und Schnur bildeten, deutlich gegen den hellblauen Himmel abzeichnete. Irgendwann, zwischen dem Landen einiger guter Brachsen und eines kleinen Spiegelkarpfens an der Stipprute geschah es dann: ich bemerkte auf einmal im linken Augenwinkel  ein heftiges, mehrmaliges Ausschlagen der Grundrutenspitze, verbunden mit dem schnarrenden Geräusch schwer abziehender Schnur. Sofort eilte ich hin und schlug fest an. Zur Sicherheit wiederholte ich den Anhieb noch ein-, zweimal. „Hänger!“ - fuhr es mir bald darauf durch den Kopf, “so ein schöner, strammer Biss und dann dieses Festsitzen!“. Verärgert zog ich an der Rute, um den vermeintlichen Hänger zu lösen, als ich plötzlich ein kräftiges Schütteln in der Schnur verspürte. Dann hob sich etwas schwer vom Grund ab und gab äußerst widerstrebend dem Zug meiner Schnur nach. Mit dem stabilen Gerät unerbittlich die Richtung weisend, kurbelte ich dieses nun wieder wild kämpfende Etwas näher zum Ufer. Dabei fiel mir ein, was ich noch über die Barbe gelesen hatte: dass sie sich nämlich nach dem Anhieb in der Strömung mit nach unten bohrenden Bewegungen auf den Kopf stellt. Das würde auch den anfänglichen Eindruck eines Hängers erklären und meine Vermutung bestätigen, dass hier wirklich eine Barbe am Haken um ihr Leben kämpfte. Sicher aber war ich mir darin keineswegs. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich innerlich bangend und hoffend zwischen den Möglichkeiten eines ersten Barbenfanges einerseits und dem eines wirklich guten Aales andererseits schwankte, wobei es unentschieden war, was mir lieber gewesen wäre. Als aber dann der etwas spitz zulaufende, graue Kopf einer guten Barbe kurz vor der Uferkante auftauchte, war ich doch sehr froh, diese Lücke in meinen Fangerlebnissen schließen zu können. Immerhin war sie genau 49 cm lang und wog - ein Rogener nach dem Ablaichen - exakt 1050 Gramm. 

Wenigstens diese hatte „orthodox“ gebissen, das heißt, in der Strömung, wo sie den Fachbüchern nach auch hin gehörte. Leider blieb ihr Fang trotz intensiver Bemühungen mein bisher einziges Barbenerlebnis.

Ihr eigenwillig geformter Kopf hängt seitdem als  Ansporn zu weiteren Barbenerfolgen an der Trophäenwand in meinem Angelkeller.















Barsch                                                                                     Angelgeschichten