angeln  am  altrhein                                               3. Fortsetzung

 
Es war in eben dieser Aalangelzeit. Während mein bleibeschwerter Tauwurmköder am Altrheingrund auf mögliche Interessenten wartete, entfernte ich mich ab und zu ein paar Schritte, um in der Zwischenzeit eventuell mit der Spinnrute und dem bewährten FZ mit dem einen oder anderen Unterwasserräuber anzubandeln. Dabei geschah es! Beim Einholen des Blinkers hing ich mit einem Male kurz vor dem Ufer rechts von meinem Standplatz fest. Bei den vielen Ufersteinen dort war das ja an und für sich nichts außergewöhnliches. Gerade wollte ich durch Heben und Senken der Rute versuchen, den vermeintlichen Hänger zu lösen, als die straff gespannte Schnur plötzlich von rechts kommend  an mir vorbei wanderte und unaufhaltsam nach links dicht am Ufer entlang davonzog. Ich war so überrascht, dass ich zuerst überhaupt nicht reagieren konnte und nur krampfhaft meine Angel festhielt. Was sollte ich auch sonst tun?! Die Kraft, die in gleichmäßigem, ruhigem, aber in keiner Weise zu bremsenden Tempo Schnur von der Rolle zog, war nicht zu beeinflussen. Was musste das für ein Fisch sein! - Inzwischen war er wohl gute 20 Meter von mir entfernt und strebte - ständig in Ufernähe bleibend - weiter an diesem entlang. Er war einfach nicht zu halten. Der dünnen 26 er Schnur wegen traute ich mich auch nicht, von mir aus etwas zu unternehmen. So folgte ich ihm einfach, die zum Halbkreis gebogene Rute fest in den Händen haltend , über die sperrigen und rutschigen Steinquader des Ufers hinweg. Dabei gab es noch ein anderes Hindernis zu überwinden, denn der Fisch zog nun in etwa 25 - 30 Metern Entfernung so dicht am Ufer entlang, dass die gestraffte Schnur immer wieder durch überhängende Zweige und Blätter der dort stehenden Weidenbüsche und -bäume lief. Mit etwas Glück gelang es mir jedes Mal, sie wider frei zu bekommen. Bei diesem eigenartigen Drillspaziergang, den wir beide da vollführten und bei dem die Rollen von Drillendem und Gedrilltem seltsam vertauscht schienen, erreichten wir nach etwa weiteren 30 Metern eine hindernisfreie Uferstrecke. Bis dahin hatte ich noch keinen Zentimeter der  wie meine Nerven zum Zerreissen gespannten Schnur auf die Rolle zurückgewinnen können. Plötzlich aber schien mein unsichtbarer Gegner einen Augenblick verharren zu wollen. Ich blieb deshalb sofort ebenfalls stehen und wagte einen vorsichtigen seitlichen Zug mit der Rute. Das hatte zur Folge, dass der Gehakte nun nun zumindest die Richtung änderte, sich vom Ufer abwandte und  nun rechtwinklig mit gewohnt unaufhaltsamer Manier der Strommitte zustrebte. Von „Flucht“ will ich dabei gar nicht reden. Er bewegte sich im Vollbesitz seiner Kräfte einfach so, wie er wollte und ob es da überhaupt nichts gäbe, was ihn aufhalten könnte - weder Haken, noch Schnur, noch Angler. Etwa in der Flussmitte wendete er wieder und kam mir so ein Stückweit entgegen, so dass ich einige Meter Schnur zurückspulen konnte. Dann war wieder Schluss! Er stand und rührte sich nicht vom Fleck! - War das meine Chance, nun zum ersten Mal selbst etwas entscheidendes unternehmen zu können? - Ich glaubte es. Durch vorsichtiges Pumpen wollte ich ihn etwas näher und vor allem wieder in Bewegung bringen. Behutsam aber dennoch kräftig die Rute hoch nach hinten führend und dann wieder nach unten senkend, zog ich das unheimlich schwere Gewicht mit spärlichen Kurbelumdrehungen  ein paar Zentimeter heran. Weil dies gut gelungen und glücklich überstanden war, wagte ich einen zweiten Versuch. Ich hob die Gerte noch einmal an und spürte im gleichen Augenblick zu meinem allergrößten Entsetzen, wie der herrliche Widerstand am Ende der Schnur plötzlich nachgab und sich in nichts auflöste!  - Ich glaube, nur Angler, denen selbst schon einmal ähnliches widerfahren ist, können dieses so schwer zu beschreibende Gefühl verstehen, das sich in diesem Moment meiner bemächtigte und das sich aus einer Mischung von Enttäuschung, Ohnmacht, Zorn, Ärger und Resignation zusammensetzt. Als ich meinen nun entlasteten FZ-Blinker mit langsamen, fatalistischen Kurbelumdrehungen einholte und ihn mit einigen halbherzig weil hoffnungslos gesetzten Würfen noch ein paar mal - natürlich ergebnislos - an die ungefähre Stelle jenes so schweren Verlustes platzierte, hatte ich genügend Zeit, dieses wohl schlimmste aller Anglergefühle  bis zu Neige auszukosten. Es war furchtbar, und ich zitterte am ganzen Körper.  Warum war der Drilling ausgeschlitzt?! Hatte ich nicht fest genug angeschlagen, oder besser gesagt, hatte ich es bei diesem überraschende Biss und dem sich anschließenden  Verfolgungsdrama überhaupt getan?! - Ich wusste es nicht! Ich wusste nur, dass ich gerade einen wirklich überdurchschnittlichen, in der Tat kapitalen Fisch verloren hatte! Noch relativ unerfahren, wie ich war, ging ich damals davon aus,dass es sich bei dem großen Unbekannten um einen mächtigen Hecht gehandelt haben müsste, einen, wie ich ihn noch nie an der Angel gehabt, geschweige denn gefangen hätte. Heute ist mir klar, dass so, wie mein Kontrahent sich verhalten hat, es nur ein wirklich kapitaler Wels gewesen sein kann, zumal in den Folgejahren starke Exemplare dieser Art mit Längen von bis zu 2 m vom Berufsfischer dort gefangen wurden. Damals jedoch hatte ich gar keine Ahnung davon, dass Welse im Altrhein tatsächlich vorkommen. - Allein, der damalige Angeltag war mit seiner riesigen Nervenanspannung einfach zu viel für mich gewesen. An ein Weiterangeln war mit solch flatternden Nerven überhaupt nicht zu denken. Mit fahrigen Fingern packte ich zusammen und fuhr langsam nach Hause.















Schluss folgt


ANGELN  AM  ALTRHEIN