Angeln  am  Altrhein                                               Schlussteil

 

„Der nächste Angeltag wird wieder ein ganz normaler sein!“, dachte ich nach der erlebten Riesenaufregung, aber es kam ganz anders. Es ging Schlag auf Schlag. Steigerung folgte auf Steigerung, so dass fast unglaublich klingen mag, was dann geschah! Aber, alles der Reihe nach!

Am 31.10. stand ich kurz nach 8.00 Uhr wieder an derselben Stelle. Links von mir lief die Schnur einer wurmbeköderten Grundangel ins Wasser, während an der Bodenbleiangel zu meiner Rechten sowohl eine kleine Karausche als auch ein kleiner Kaulbarsch an Springerhaken in der Strömung spielten. eigentlich hatte ich mir das Angeln mit Köderfischen schon längst abgewöhnt, war aber heute noch einmal darauf zurück gekommen, weil ich mir einfach davon mehr Erfolg versprach.  Wie sich aber noch am selben Tag gründlich herausstellen sollte, war es wirklich zum letzten Mal!

Der Wasserstand war jetzt im Herbst niedrig. Leichter Nebel lag über den Fluten. Gelegentliche Zupfer an der Wurmangel verrieten mehrere Male die Anbissversuche kleinerer Weißfische, bis plötzlich energischer Zug auf das Interesse eines Besseren schließen ließ. Nach Anhieb und kurzem Drill glitt ein knapp pfündiger Döbel über den Kescherrand. Kaum hatte ich neu angeködert und ausgeworfen, als es einen deutlichen Ruck in der Raubfischangel rechts neben mir gab, begleitet von einigen Metern Schnurabzug. Der Anschlag erfolgte umgehend, und ein schön gezeichneter Flussbarsch, den artverwandten Köderfisch quer im Maul haltend, durchbrach nach einigen Drillmanövern die Wasseroberfläche. Als er in den Keschermaschen ruhte, schätzte ich sein Gewicht auf ein knappes Pfund. Esd auerte indessen nicht lange, bis auch das andere Köderfischchen  mir Beute brachte. Dieses Mal war es ein knapp maßiger  Zander, und ich beschloss nun endgültig, dass dies mein letzter mit der Köderfischangel gefangener Fisch sein sollte.
Mir taten die gequälten Kleinfische einfach zu leid. Dass es auch sehr gut ohne sie gehen kann, sollte mit in Kürze  eindrücklich bewiesen werden. Nachdem ich die zweite Grundangel ebenfalls eingezogen hatte, widmete ich mich wieder ganz der geliebten Spinnangelei. Das Grundangeln hatte mir ja schon gezeigt, dass heute Beisstag bei den Stachelrittern war.  Warum sollte ich mich da nur mit einer Angelstelle begnügen und darauf warten, dass einer der begehrten Räuber zufällig hier jagen wollte?! Sie selbst zu suchen, schien mir dagegen weitaus Erfolg versprechender. Also wanderte ich wieder blinkernd am Ufer entlang. Zuerst war es der von mir bisher favorisierte 16 g Löffel, der mir kurz hintereinander zwei 25 und 28 cm lange Barsche einbrachte. Dann konnte zur Abwechslung ein 30 cm langes Exemplar einem 3er Mepps nicht widerstehen. In Erinnerung früherer Erfolge testete ich daraufhin einen gelben Weichplastikköder. Zwei weitere Flussbarsche vermochte dieser Wackelschwanz zu verführen, und sie waren mit 33 und 34 cm die längsten und schwersten dieses bis dahin so erfolgreichen Angeltages.
„Ein Döbel, ein Zander und sechs gute Barsche, das darf man doch wohl mit Recht als eine gute Angelstrecke bezeichnen!“, dachte ich und beschloss, zusammen zu packen und nach Hause zu fahren. Auf dem weg zum Auto streifte ich mit einem Blick eher zufällig das Brückenansatzstück des Kieswerks und blieb stehen. Zwei Gründe waren es, die mich veranlassten, nicht weiterzugehen. Zum einen gewahrte ich auf einer der Stahltrossen, die dort zwischen Ponton und dem nahe liegenden Schleppkahn gespannt waren, das blaublitzende Gefieder eines Eisvogels, der hier regungslos auf Ansitz verharrte, den spitzen Fischfängerschnabel aufmerksam nach unten auf die Wasserfläche gerichtet. Wie immer faszinierte mich dieses selten gewordene aber stets gern gesehene Bild. Zum anderen erwachte in mir die Erinnerung an jene kurzen aber aufregenden 15 Minuten, in denen ich hier schon einmal sechs gute Barsche mit dem Plastikköder überlistet hatte. Sollte Ähnliches heute bei dem bislang so guten Beissverhalten wieder möglich sein?! Rasch war das überflüssige Angelmaterial im Kofferraum verstaut, und nur noch mit Kescher und der sensiblen Wurfrute bewaffnet stieg ich die Eisenleiter zum Schwimmer der Pontonbrücke hinab. Das aufgeklappte Unterfangnetz stellte ich griffbereit gegen die eisernen Leitersprossen und warf den gelben Wackler so weit wie möglich in den Strom hinaus. Nachdem er weit draußen im Fluss den Grund erreicht hatte, was ich am locker und ruhig Werden der Schnur leicht erkennen konnte, begann ich, ihn langsam, immer in Bodennähe bleibend, heran zu zupfen. Bereits nach zwei oder drei Kurbelumdrehungen hatte ich den ersten Biss, der sich außer durch plötzlichen Widerstand auch in einem heftigen Rütteln und Schütteln in der feinfühligen Rutenspitze bemerkbar machte. Es war ein herrliches Gefühl, das diese Spezial-Spinnnrute - auf jede Fluchtbewegung des gehakten Fisches extrem deutlich reagierend - bis in mein Handgelenk hinein übertrug. Nachdem der Kescher seinen Dienst getan hatte, lag vor mir auf den Eisenplatten des Pontons ein gut einpfündiger Barsch. Da ich den Fischlappen im Wagen zurückgelassen hatte, versuchte ich ihn mit mit bloßen Händen zu fassen. Dabei entglitt er mir und fiel in sein angestammtes Element zurück. Etwas enttäuscht über diesen unnötigen Verlust nahm ich die Rute wieder auf, um den Kunstköder, der während meines ungeschickten Hantierens bei geöffneter Rollenbremse  ebenfalls vor der Pontonwand ins Wasser gefallen war, wieder einzuholen. ich glaubte zu träumen, als ich beim Einkurbeln plötzlich erneut zerrenden und reissenden Widerstand spürte. Ein Zander hatte während dieser kurzen Zeit der Schnuraufnahme den Ködergepackt. Da er aber untermaßig war, durfte er dem zuvor entflohenen Barsch folgen. er sollte auch in der Tat nicht ins Gewicht fallen, denn schon beim nächsten Wurf hakte ich einen um 10 m längeren Artgenossen. Über so viel Anglerglück konnte ich nur mit dem Kopf schütteln und warf in Fächerform weiter aus. Zumindest jeder zweite Wurf  brachte einen Biss, wenn auch nicht immer einen Fisch, denn viele verlor ich wieder. Am Ende aber, als es nämlich dunkel zu werden begann, hatte ich außer den beiden Zandern noch 17 Flussbarsche gefangen, die alle um die 30 cm - Marke lagen. Es war wie toll!
Jahrelang war ich froh und beglückt, wenn ich 2 - 3 Raubfische am Tag fing, und jetzt das! Eine Sternstunde des Angelns war mir heute beschieden gewesen, und auf der Heimfahrt gedachte ich verwundert all der Angeltage, an denen mir das Wasser des Altrheins so vorgekommen war, als ob darin überhaupt kein Fisch existierte. Gelesen hatte ich von solchen Superfängen schon, aber so richtig geglaubt hatte ich sie eigentlich doch nie. Und nun war es mir selbst widerfahren, und das ausgerechnet am Altrhein! Einfach unglaublich! Es war mir klar, dass dies wohl eine absolute Einmaligkeit bedeutete und dass ich solches wohl nie wieder erleben würde.
Dermaßen eingestimmt setzte ich, nüchtern und  realistisch meine Fangchancen einschätzend, am kommenden Montag meine Angelbemühungen fort. Sicher, der gelbe Weichplastikköder war endlich den ihm in sämtlichen Angelkatalogen gegebenen Vorschlusslorbeeren mehr als gerecht geworden, aber als er an diesem Morgen im dämmrigen Licht des anbrechenden Tages im hohen Bogen dem nebelbedeckten Wasser entgegen flog, tröstete ich mich doch mit dem Gedanken, dass ja nicht alle Tage Sonntag sein und ich nicht schon wieder mit einem solchen Fangergebnis rechnen könne. Ich hatte da vor einer Woche wohl gerade einen großen Schwarm beim Rauben erwischt, und wer weiß, wohin der inzwischen entschwunden war. Noch ganz in solche Gedanken versunken, überraschte mich der erste Biss. Anschlag, Drill, und schon lag wieder ein schöner Barsch zu meinen Füßen!

Und so ging es weiter!Schlag auf Schlag! Jeder Wurf, ob fern oder nah, brachte einen Biss! Ich weiß, dass dies unglaublich klingt, aber es ist die reine Wahrheit! Es war wie im Märchen! Ich konnte machen, was ich wollte, stets packte ein Unterwasserräuber meinen  mit einem Bleikopf beschwerten Plastikwackler!

In der Hauptsache handelte es sich um Barsche, aber auch etliche Zander waren unter den Beisslustigen. Aber vor allem die Fressgier der Sippe Perca Fluviatilis war an diesem Tag unvorstellbar groß. Dabei ließ sie der Futterneid bereits gehakte Artgenossen bis kurz vor den Kescher verfolgen. Kaum erschien der Gedrillte hell blinkend aus der dunklen Tiefe, als auch schon links und rechts von ihm wie ein Rudel Wölfe andere, zum Teil weit größere Barsche auftauchten, um ihm die Beute streitig zu machen und wieder abzujagen. Erst direkt vor dem Kescherrand hielten sie an, machten erschrocken kehrt und verschwanden wieder im Dunkel des tieferen Wassers.

Innerhalb von vier Stunden dieses denkwürdigen Angelvormittages fing ich auf diese Weise sage und schreibe 51 Flussbarsche zwischen 28 und 40 cm Länge, dazu 8 Zander bis 45 cm! Statistisch ausgedrückt: ca. 25 kg Gesamtgewicht und Fang eines Fisches im 4-Minuten-Takt! Natürlich behielt ich nur die größten Exemplare, während alle anderen wieder ihr Altrhein-Revier bevölkern durften.

Der unverhoffte reiche Barsch- und Zandersegen hielt indes auch in den nächsten Wochen - wenn auch in vermindertem Maße - noch an. Schon der nächste Angeltag bescherte mir wieder eine stattliche Strecke von 27 Barschen und 6 Zandern, wobei ich gleich zu Beginn beim ersten Wurf noch fast im Dunkeln meinen stärksten Vertreter der Gattung

Lucioperca an den Haken bekam. Anfangs kam er mir wie ein Stück Holz vor, weil er nur schwer und unbeweglich an der Schnur hing. Aber dann sorgten doch einige kraftvolle Fluchtversuche für einiges Nervenflattern und für manchen trotz der Kühle des Morgens auf meiner Stirn auftretenden Schweißtropfen. Schließlich brachte ich den genau 60 cm langen und 1700 g schweren Zander dann doch sicher im Netzt unter.

Die Abschlussbilanz dieses ungewöhnlichen Raubfischherbstes, der sich so nie mehr wiederholen sollte, liest sich in meinem Fangbuch so: 149 Flussbarsche und 24 Zander an 10 Angeltagen!


Rückblickend kann ich mich heute eines verwunderten Kopfschüttelns über so viel Angelerfolg immer noch nicht erwehren. An welch reiches Angelgewässer war ich bei dem von mir anfangs so gering geschätzten Altrhein doch geraten!


ANGELN AM ALTRHEIN