angeln  am  altrhein                                           2. Fortsetzung

 
Der Tag hatte gut begonnen. Gleich am Anfang meiner Spinnstrecke konnte ich zwei gute Barsche von 30 und 31 cm landen. Dann allerdings musste ich nach nur wenigen Stellungswechseln meinen gewohnten Weg schon bald unterbrechen, denn eine ganze Familie lautstarker Friedfischangler ließ sich ausgerechnet an den erfolgversprechendsten Raubfischangelplätzen nieder, gerade, dass sie mir meinen Hechtplatz von damals noch frei ließen. Ich umwanderte rasch  den lärmenden Verein, ließ mich kurz wegen der beiden im Hälternetz mitgeführten Barsche loben und besetzte schnell die Stelle meines früheren Missgeschicks. Von hieraus unternahm sodann mein Löffelblinker seine gewohnten Luft- und Wasserreisen. Unversehens wurde er wieder - wie so lange ersehnt - hart angefasst. Der Hecht hatte fast an der gleichen Stelle wie vor sechs Wochen zugepackt. Diesmal folgte meinerseits ein schulmäßiger Anhieb, ein behutsamer, langer Drill, bei dem ich meinen Kontrahenten stets tief im Wasser führte, um ihn sich dort gehörig austoben und genügend ermüden zu lassen, damit er dann an der Wasseroberfläche nicht wieder „verrückt spielen“ würde. Schließlich konnte ich ihn so relativ problemlos unterfangen.
Als ich ihn im Kescher aus dem Wasser hob, war mir der Beifall meiner Angelnachbarn gewiss. Meine Freude über den endlich geglückten Hechterfolg wurde noch gesteigert, als ich sah, dass der Bezwungene am linken Unterkiefer zwei kleine Verletzungen aufwies. Im Größenabstand entsprachen sie genau den von mir verwendeten Drillingshaken. Es war also in der Tat jener Hecht, der sich damals zuerst so einfach hatte heranpumpen lassen, um dann doch noch den unvorsichtigen Angler zu überlisten. Auf irgendeine Weise war er das lästige Anhängsel glücklich losgeworden. Dass er übrigens über 70 cm maß und mehr als 5 Pfund wog, habe ich bereits ja schon erwähnt. Es war mein bester Rheinfisch bisher, und als ich ihn neben den beiden schönen Barschen im Grase liegen sah, merkte ich, dass mein Heimweh nach dem Main doch schon beträchtlich nachgelassen hatte.

Am letzten Angeltag dieser Saison Ende November fing ich zwar nur noch einen etwa halbpfündigen Flussbarsch, aber dennoch sollte mir an diesem Tag noch etwas Ungewöhnliches und Vertrautes zugleich beschert sein: plötzlich blitzte es in der klaren, kalten Luft über dem Wasser leuchtend blau auf, und ein Eisvogel schoss in niedrigem Schwirrflug an mir vorüber. Ich glaube, dass gerade das Wiedersehen mit diesem kleinen, so bunt gefiederten Gesellen es war, das den Ausschlag dafür gab, dass ich anfing, mich an diesem Gewässer letztendlich richtig zu Hause zu fühlen.

Der folgende Dezember brachte zu viel Arbeit, als dass Zeit zum Angeln geblieben wäre, wenn auch die Gedanken sehr häufig damit beschäftigt waren. Alle Angelsehnsüchte mussten auf das kommende Frühjahr und vor allem dann auf den kommenden Herbst vertagt werden. Das Frühjahr mit seiner Friedfischangelei war dabei ja wiederum eigentlich nur als Überbrückungszeit gedacht, aber was alles hielt es dieses Mal für mich bereit.

Den ersten Angeltag des neuen Jahres ging ich - da Raubfischschonzeit war - ohne große Begeisterung an. Es war der 28. Januar. Es war mild und windstill. Einige Hände voll angefeuchtetem und mit Dosenmais versetztem Paniermehl wanderten in die träge dahinfließenden Fluten, bald gefolgt von einem einzelnen Maiskorn an 11 er Haken und 22 er Schnur. Nach dem Absinken des Köders auf die gewünschte Tiefe knapp über Grund richtete sich der schwarz-orangefarbene Schwimmer langsam auf und driftete gemächlich mit der Strömung ab. Dem Beißen stand nun nichts mehr im Wege. Prompt fing die leuchtend orangene Schwimmerspitze auch an zu zucken, verhielt einen Augenblick lang unter der Wasseroberfläche und wurde dann zügig nach unten gerissen. Der im selben Moment gesetzte Anhieb erbrachte nur wenig Widerstand, was von einer etwa 100 g schweren Güster, die anschließend ans Tageslicht kam, auch nicht anders zu erwarten war. „Nun ja, es wird halt wieder nichts besonderes geben!“, dachte ich, beobachtete aber dennoch voller Aufmerksamkeit die wieder neu beköderte Posenangel auf ihrer Stromabwärtsreise. Etwa an der gleichen Stelle wie vorher verharrte der Schwimmer wieder kurz und war im nächsten Augenblick verschwunden. Anhieb und Hänger - nein, doch ein Fisch und zwar mit kräftiger Gegenwehr! Was ich kurz darauf aus dem Wasser kescherte, war ein stattliches Rotauge von 35 cm Länge und 600 g Gewicht, ein richtiges Winterrotauge wie vom Main und dazu ohne jeden körperlichen oder gesundheitlichen Makel.
Kaum war es im Setzkescher untergebracht, als mir die erneut abtauchende Pose den nächsten Biss anzeigte. Wieder war es eine pfundschwere Plötze, die mir einen zünftigen Winterdrill lieferte. Und so ging es fort. Elfmal trat der Kescher an diesem Morgen in Aktion, um solch ein gutes Rotauge aufzunehmen, die zu früh oder zu spät angeschlagenen und abgekommenen nicht eingerechnet. Ich hatte alle Hände voll zu tun. Keines der Rotaugen war schwächer als ein halbes Pfund, die meisten weitaus darüber und alle in bestem Zustand. Das Gesamtgewicht der Rotaugen dieses Tages belief sich auf satte 3,5 kg. So etwas hatte ich selbst am viel gepriesenen Main noch nicht erlebt. Indes die Zahl und Größe der gefangenen Rotaugen ließ auch in den folgenden Wochen und Monaten nicht nach.

Als Beifänge waren Bresen, Güstern, Gründlinge und an der wurmbestückten Grundangel Kaul- und Flussbarsche  zu registrieren. Langsam sah ich ein, dass ich dem Altrhein in meiner Beurteilung bitter Unrecht getan hatte. Aber damit nicht genug! Er hielt noch weitere Überraschungen für mich bereit, manche davon einfach sensationell!

Zuerst fing ich am 22. Mai dieses Jahres völlig überraschend meinen ersten Aal im Altrhein, und zwar auf Tauwurm an der Bodenangel. Vierzehn Tage später waren es bereits vier und eine Woche darauf sogar acht der schleimigen Gesellen. Alles keine Riesen, aber immerhin zwischen 40 und 54 cm lang. Wer hätte das gedacht?!

Überraschung Nr.2 fiel in eben diese Aalangelzeit und sollte die größte Aufregung in meinem bisherigen Anglerleben mit sich bringen!

















Fortsetzung folgt



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