angeln  am  altrhein                                           1. Fortsetzung

 

Am 22. November 1982 versuchte ich es wieder einmal.  Das Wasser hatte sich verändert. Es stand hoch und braun, die Steine der Uferböschung fast völlig bedeckend. Gleich hinter dem Kieswerk warf ich zunächst - wie gewohnt - einen Fächer mit dem mittleren FZ, bis er mir unrettbar verloren auf Grund festsaß. Nach Abriss der Schnur durchsuchte ich meine Angeltasche nach einem neuen Blinker, wobei mir ein silber-rot gestreifter Barschspinner in die Hände fiel. Ihn befestigte ich nach einigen Metern Standortwechsel stromab am neu angewundenen Vorfach. Schon der zweite Wurf in Richtung Strommitte brachte nach kurzen, taumelnden Einholbewegungen den ersehnten Ruck in der Schnur. Kräftig nach links und nach rechts ausscherend wehrte sich da etwas gegen Rute und Leine, war aber dann letztlich doch nicht stark genug, um entscheidend dagegen anzukämpfen. Nach einigen mühsamen Kurbelumdrehungen mehr zeigte sich ein tapfer kämpfender Hecht an der Wasseroberfläche, der schließlich mit geübtem Zug über den Kescher geführt werden konnte. Freude durchrieselte mich: der erste Rheinhecht meines Lebens! Kein Riese, aber mit 54 cm und gut einem Kilogramm durchaus vorzeigbar! Dankbar löste ich den Drilling vom Unterkiefer und verwahrte den Besiegten in einem Hälternetz, das ich als loses Knäuel an einer Schnur in einer meiner Anoraktaschen bei mir getragen hatte.

Beim folgenden, an der nächsten Angelstelle geworfenen Fächer erfolgte kein Biss, aber nur etwa zehn Meter weiter war es wieder soweit. Dieses mal führte ich den Drill behutsamer durch, führte den Fisch auch länger im tieferen Wasser, weil ich spürte, dass dieser stärker war als der erste. Nachdem er sich genügend ermüdet hatte und weiß zeigend nach oben kam, konnte ich den 60 cm langen und 1,5 kg schweren zweiten Esox dieses Tages sicher landen. Und dieses Mal war es mehr als Freude, was ich empfand: der blanke Jubel war in meinem Herzen!Einem ca. 20 cm langen Flußbarsch, der mir etwas später noch an den Haken ging, schenkte ich aus lauter Glück über soviel Petri Heil die Freiheit wieder. Ich erinnere mich noch gut des Triumphgefühls, das sich meiner bemächtigte, als anschließend meinen wagen in Richtung Heimat steuerte. Aber nicht nur Emotion beherrschte mich in diesen Stunden ,ich versuchte auch die Tatsache festzuhalten, dass leichtes Hochwasser und kräftiger Westwind am Altrhein anscheinend gute Voraussetzungen für den Hechtfang dort darstellten.

Jenem ersten Glanztag sollten indes bald andere folgen. Am 8.12.1982 hatte ich zum Beispiel den ganzen Vormittag lang erfolglos auf Hecht und Barsch geblinkert und gesponnen. Schon eigentlich zur Rückfahrt bereit, versuchte ich es kurz vor dem Ponton des Kieswerks noch einmal mit einem gelben Twister, den ich schon vor Jahren aufgrund aufreißerischer Anzeigen im Angelblätterwald gekauft, der mir zwar an unserem Teich bereits einmal je einen Hecht und einen Barsch eingebracht, den ich aber auch schon des öfteren völlig umsonst eingesetzt hatte. Schon nach dem allerersten Wurf biss diesmal ein 22 cm langer Barsch. Weitere Bisse folgten unmittelbar danach, so dass ich in nur 15 Minuten sechs Flussbarsche fing, deren größter mit 32 cm respektable 400 g Gewicht auf die Waage brachte. In seinem Magensack befanden sich übrigens noch zwei Flusskrebse von je 12 cm Länge.

Zum ersten Mal konnte ich an diesem Tag hier zudem auch die Schwimm- und Tauchkünste eines Zwergtauchers bewundern, der mir wie ein alter Bekannter vom Main her vorkam. - Hatte ich mich doch in der Bewertung des Altrheins getäuscht?! zur Beantwortung dieser Frage blieb mir in der Folge viel Zeit. Jedoch geduldete ich mich in diesem Jahr mit der Raubfischangelei nicht bis zum Herbst. Trotz heißen Sommerwetters brachte der 16 g FZ nach anfänglich vergeblichen Würfen einen beachtlichen 450 g schweren Flussbarsch. Ein etwas Geringerer konnte einem 3 er Mepps kurz darauf nicht widerstehen. Zwei untermaßige Zander folgten den Artverwandten ans Ufer, wobei beim Hereinholen des letzten  ein nicht allzu starker Esox dicht vor meinen Füssen auf ihn zustieß, um ihn dann allerdings doch nicht zu nehmen. Immerhin waren die ersehnten Raubfische hier vorhanden, und da auch die Zahl der zu beobachtenden Fischreiher mit jedem Angeltag stieg, fühlte ich mich bald längst nicht mehr so ganz von einem guten Angelgewässer getrennt wie am Anfang meiner Altrheinfischerei.

In schöner Regelmäßigkeit fing ich nun ansehnliche Barsche sowie etliche Zander, die aber alle nicht das Mindestmaß von 40 cm aufwiesen. Ich empfand das als nicht weiter tragisch, wusste ich doch: wo Kleine sind, dürften Große auch nicht allzu weit sein! Irgendwann würde es auch mit ihnen klappen!

Womit es dann in diesem Jahr überhaupt nicht mehr klappen wollte, das waren die Hechte. Nicht, dass sie nicht bissen, ich brachte sie - abgesehen von einem gerade mal 50 cm langen - nur nicht ins Netz! Immer wieder verlor ich sie nach kürzerem oder längeren Drill durch unglückliche Umstände oder durch eigene Fehler. Ein Exemplar, das ich auf 3-4 Pfund schätzte, konnte sich nach wohl zu schwach gesetztem Anhieb durch Drehen, Wälzen und Schlagen an der Oberfläche wieder vom Eisen befreien. Einem anderen, von dem ich ziemlich sicher weiß, dass 5 Pfund und 100 g wog und dabei exakt 72 cm maß, gelang die Flucht durch meine Dummheit und Ungeduld. Und das kam so: Ich stand am Nachmittag eines mit drei kleinen Zandern und einem guten Barsch als Beute bereits schon einigermaßen zufrieden stellenden Angeltages Mitte September in der Nähe eines großen Weidenbusches, eine Stelle, an der ich schon öfter Hechtkontakt gehabt hatte, wenn er auch stets zu Gunsten der Familie Esox lucius ausgegangen war. Einen Fächer wollte ich vor der Heimfahrt noch werfen und schickte den FZ auf die Reise. Gleich zu Beginn des Einholens fühlte ich starken Widerstand, und nur durch kräftiges mit Rücksicht aber auf die dünne Schnur doch gefühlvolles Pumpen gelang es mir, dieses unbekannte Schwere näher heran zu ziehen. Es bewegte sich nicht, konnte deshalb auch kein Fisch sein. Und richtig: ein langer, verzweigter Weidenast kam nach einigen weiteren Augenblicken Pumparbeit ans Licht. Rasch befreite ich den Blinker von dieser unerwünschten Last und warf ihn mit kräftig geführtem Schwung erneut aus. Erst kurz vor dem gegenüberliegenden Ufer tauchte er wieder ins Wasser. Kaum war er abgesunken und mit einigen Kurbelumdrehungen wieder ein Stückweit herangebracht, saß er schon wieder fest. Erneut hing etwas schwer und träge am Drilling, ließ sich aber ebenfalls wieder mühsam bewegen und heranziehen. „Schon wieder ein Ast!“, dachte ich ein wenig ärgerlich und begann erneut meine vorsichtigen Pumpbewegungen. In mehreren Ansätzen brachte ich das gewichtige Etwas auch gut über die ganze Flussbreite, hatte dabei aber immer noch nicht gesehen, um was es sich dabei eigentlich handelte. Es blieb nur immer ruhig und schwer an der Schnur. Als es nur noch wenige Meter vom Ufer entfernt war, und ich angespannt auf die von meiner Angelsehne durchschnittene Wasseroberfläche starrte, gab es plötzlich einen mächtigen Ruck in meiner Rute, gleich darauf noch einen, und singend zog Schnur von der Rolle. Ja, was war das denn für eine freudige Überraschung?! Also doch ein Fisch und kein geringer dazu! Es dauerte einen Moment, bis ich gedanklich von „Ast“ auf „Hecht“ umschalten und mit Drillmanövern den Fluchten des Gehakten entgegnen konnte. Das Wasser vor mir wallte auf , und dann sah ich auch den Hecht, wild sich wehrend, einmal den dunklen Rücken, dann wieder den hellen Bauch und die grünen, weißgetupften Flanken zeigend. Was für ein herrlicher Anblick!

Da er nicht mehr weit von mir entfernt war, ging ich in die Hocke und ergriff den bereit liegenden Kescher. Mit einem Blick auf den sich vor mir jetzt nur noch schwach wehrenden Hecht erkannte ich, dass der Drilling sicher mit zwei Haken im linken Unterkiefer gefasst hatte. Zudem schien der  Fisch müde und erschöpft zu sein. Deshalb hielt ich, während ich mich mit dem Kescher in der Linken wieder aufrichtete, die Schnur mit dem rechten Zeigefinger an der Rute fest, in der Absicht, den bereits weiß Zeigenden nicht mehr fortzulassen, sondern unverzüglich über den Kescherrand zu führen. In diesem Augenblick gab es einen Schlag, der das Wasser aufspritzen, meine Spinnrute nach vorne rucken und zugleich wieder - von aller Last befreit - hochschnellen ließ. Was war geschehen? - Der bereits müde Geglaubte hatte noch einen letzten, entscheidenden Fluchtversuch unternommen. Dabei war die von meinem Finger blockierte 26 er Sehne gerissen, und Esox hatte Blinker, Vorfach und ein Stück Schnur mit sich in die Tiefe und damit in die Freiheit genommen.

Ärger und Besorgnis waren meine Reaktionen darauf. Ärger über so viel Dummheit meinerseits:

wie konnte mir nur so ein Anfängerfehler passieren?! Besorgnis wegen der bangen Frage: wird der Fisch das Eisen samt Vorfach und Schnurende auch wieder loswerden, oder damit irgendwo hängen bleiben und elend zu Grunde gehen?!

Getrieben von solch trüben Gedanken fuhr ich nach Hause, um am kommenden Montag mein Glück an gleicher Stelle noch einmal zu probieren. Vielleicht ging er mir trotz allem ja doch noch einmal an den Haken! - Allein, die nächsten Wochen verliefen in dieser Hinsicht ergebnislos. Barsch-  und Zanderfänge blieben die Regel. Die Ausnahme bildete ein über 1 kg schwerer Bresen,

der dicht vor dem Ufer den 5,5 cm langen FZ genommen hatte, wobei er nicht etwa außen sondern erstaunlicherweise ordnungsgemäß im vorgestreckten Rüsselmaul gehakt war, und mir seines Gewichtes wegen die Illusion eines kapitalen Barsches vermittelt hatte.

Ein Wiedersehen mit dem von mir verlorenen Hecht aber sollte es erst am 26. Oktober desselben Jahres geben.


Fortsetzung folgt                                  ANGELN  AM  ALTRHEIN